Ein Flüstern geht durch die Reihen der jungen Künstlergeneration:
Wir müssen etwas ändern.
Eine Oper, die ausspricht, wofür wir keine Argumente haben.
Wie frei ist die Kunst?
Dies ist eine, wenn nicht sogar die zentrale Frage in der Kunstwelt.
Sie ist gleichzeitig auch Dreh und Angelpunkt von „Akademia“.
Die vierstündige Oper verfügt über das Potential zu begeistern und gleichzeitig zu polarisieren.
Der Status Quo der Gesellschaft und der Kunstszene wird in Frage gestellt, seziert und kritisiert.
Hierzu bedient sich das Stück szenischer Mittel, die an Beuys und seine „Soziale Skulptur“ denken lassen.
Oder anders ausgedrückt, jede Szene funktioniert wie eine solche soziale Skulptur im Kampf um Erneuerung .
Ein Hilferuf?
„Akademia“ zeigt, gespiegelt im Mikrokosmos Kunstakademie,
den Zustand unserer Gesellschaft und ihrer unerfüllten Sehnsucht nach Veränderung,
nach Entwicklung zum Besseren.
In der ersten Szene heißt es:
„Raus aus dem alten Muff,
die Welt mit Kunst zu speisen
mit Glorreichen Werken.
Leitend soll sie voran gehen.“
Leitend soll sie voran gehen, ein Auftrag, den die Kunst,
wenn man „Akademia“ glauben darf, nicht oder nicht mehr erfüllt.
Kunst als Geldwert, Einengung durch immer mehr Reglementierung und Einschränkung,
eine Verwaltung und eine Akademie-Leitung, die mit Kunst nichts mehr am Hut zu haben scheinen, Flucht in Alkohol, in Depression, nichtige Gespräche, aber auch der Funke einer revolutionären Idee, einer vollständigen Umwälzung, und der immer wieder aufflackernden Liebe zur Kunst,
all das begegnet der Protagonistin Lara Wittenberg in den sechs Szenen der Oper.
Das Publikum erlebt hautnah mit, wie Lara zu Beginn mit großem Idealismus und noch größerer Freude ihre Aufnahme als Studentin an der Kunstakademie feiert, begleitet sie von Szene zu Szene durch wachsende Enttäuschung und Niedergeschlagenheit,
bis sie zum Schluss desillusioniert und verzweifelt gegen eine Wand aus Professoren, Mitstudenten und Verwaltungskräften anrennt, fällt, wieder aufsteht, fällt … und schließlich am Boden liegen bleibt.
„Nach vier Stunden reicht es auch mal“, heißt es am Ende,
„ Solange braucht es, um eine Protagonistin sterben zu lassen. Und so musste es doch kommen. Laras Idealismus war unsterblich wie eine genmanipulierte, unzerbrechliche Seifenblase, die niemals zu platzen vermag. Stattdessen ist Lara selbst zerbrochen.“
Unter der Leitung von Aylin Leclaire hat ein Team von hundert Künstlern, bestehend aus Studenten der Kunstakademie Düsseldorf, Schauspielern, Sängern und Musikern, ein ausdrucksstarkes,
bildgewaltiges und nachhaltig wirkendes Stück mit bemerkenswerten Kulissen auf die Beine gestellt. Jeder von ihnen verzichtete auf Gage. Die Einnahmen dienen zur Deckung der erst in Teilen gedeckten Produktionskosten, sowie hoffentlich auch noch für die geplante DVD und den Katalog zur Oper.
Besonders erwähnt sei auch die Bereitschaft der Leitung des geschichtsträchtigen Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten, die Aufführungen im Malkasten-Park zu genehmigen, und zu unterstützen, nicht zu vergessen, der Support durch verschiedene Sponsoren.
Ein Teil der Kulisse, eine begehbare Arche, gebaut von Studenten und ehemaligen Studenten der Kunstakademie, wird noch einige Zeit im Park zu besichtigen sein und an eine Woche voller Leidenschaft für die Freiheit der Kunst und für Poesie erinnern.
Ich habe drei von sechs Aufführungen besucht, war jedes Mal verzaubert und entdeckte Details,
die mir vorher entgangen waren, zum Beispiel ein Zitat aus einem meiner Lieblingslieder.
Es wäre nicht bei diesen drei Besuchen geblieben, doch viele tolle und berührende Erlebnisse enden bekanntermaßen wenn es am schönsten ist.
So auch „Akademia – Eine Oper“.
Jetzt freue ich mich auf die DVD und den Katalog.
Zum Abschluss möchte ich Joseph Beuys zu Worte kommen lassen,
der an dieser Oper vielleicht seine Freude gehabt hätte:
„Wichtig ist mir die Offenheit. Man muss herausstellen, was man ist. Es gibt gar keinen Grund dafür,
seine Fehler, Mängel oder Verzerrungen zu verstecken. Dass es für die ganze Welt erst interessant und produktiv wird, wenn die Menschen sagen: Ich habe nichts zu verbergen!
Die Wahrheit ist, dass ich ein fehlerhaftes unvollkommenes Wesen bin. Indem ich das dem anderen zeige, entsteht ein kreativer Prozess. Diese Wunde, dieses Fragmentarische muss man anschauen und dann weitergehen, sich ergänzen lassen vom anderen. Das gemeinsame Vorhaben bringt die Menschheit überhaupt erst in Gang.“
Text: Gabriele Auth
gabiauth.com